Mit ihrem hybriden Ansatz für die diesjährige Messe – sowohl Präsenzveranstaltungen als auch die Möglichkeit, online teilzunehmen und sich zu vernetzen – wies die Frankfurter Buchmesse für viele in der Branche den Weg nach vorn. Das traditionelle Modell durch parallele digitale Angebote zu ergänzen, scheint die beste Lösung zu sein.
„Es gibt bestimmte Märkte, die während der Pandemie sehr positive Ergebnisse verzeichneten“, berichtete Dr. Michiel Kolman, ehemaliger Präsident der Internationalen Verleger-Union (IPA) und jetzt Vorsitzender ihres Ausschusses für inkludierendes Verlagswesen und Alphabetisierung. „Ich glaube, der Schlüssel ist hier, dass, je fortschrittlicher er in Bezug auf digitale Formate und E-Commerce-Infrastruktur ist und je entwickelter die dortige Lesekultur ist, desto widerstandsfähiger ein Markt in der Pandemie war.“
Eine robuste Reaktion
Die Fähigkeit, Technologien zu nutzen, um sich an die veränderten Gegebenheiten anzupassen, war es, wodurch sich viele Akteure im Verlagswesen in dieser bemerkenswert schwierigen Zeit abhoben. Die Frage ist: Wer hat hier dauerhaft Bestand?
„Unterschiedlichen Formaten war nicht der gleiche Erfolg beschert; darin spiegelte sich das veränderte Verhalten der Menschen“, erklärt Kolman. „Hörbücher erlebten anfänglich einen Rückgang, da die Menschen nicht mehr zur Arbeit pendelten, während E-Books boomten, da die Buchläden geschlossen waren. Printveröffentlichungen hatten durchweg einen starken Stand.“
„Das Schöne ist, dass sich während der Pandemie viele Menschen dem Lesen zugewendet haben – zur Unterhaltung, zur Information und zum Trost während der Isolation. Die Verlage wiederum zeigten sich der Situation gewachsen, indem sie die ans Haus gefesselten StudentInnen mit Büchern und Unterrichtsmaterialien versorgten und Forschungen für die schnelle Entwicklung von COVID-19-Impfstoffen verfügbar machten“, berichtet Kolman. „Und es ist jetzt sehr deutlich geworden, dass LeserInnen viele unterschiedliche Arten und Weisen haben, um an Bücher von ihren LieblingsautorInnen zu kommen.“
Der Weg zur Erholung
Die Verlagerung auf Online-Buchverkauf und E-Books könne zwar in entwickelten Ländern ihre Dynamik beibehalten, sagt Kolman, doch eine vergleichbare digitale Infrastruktur sei möglicherweise nicht überall vorhanden.
„Global gesehen sind die Aussichten viel uneinheitlicher“, erklärt Kolman. „Wir haben eine Beschleunigung der Verlagerung zu digitalen Formaten gesehen, durch die das Verlagswesen vieler Länder noch besser auf die kommenden Jahre vorbereitet ist.“ Doch Urheberrechtsfragen und digitale Piraterie seien für Verlage in einigen Ländern von Dauer. Das Ziel der Internationalen Verleger-Union sei es deshalb, Akteure aus der globalen Verlagsbranche zusammenzubringen, um sich ihren verschiedenen Herausforderungen zu stellen, von denen die digitale Widerstandskraft nur eine sei. „Wir wollen mit einer Hochskalierung in Branchenzweigen helfen, die schwere Verluste hinnehmen mussten.“
„Insgesamt hat die Pandemie eine unerwartete Gelegenheit für das Buch-Ökosystem als Ganzes geschaffen, um eine neue Art des Dialogs zu eröffnen, nicht nur unter Verlagen, sondern innerhalb der gesamten Branche.“
In der Hoffnung, die Zusammenarbeit im gesamten Verlagsspektrum zu verbessern, gab die IPA in Frankfurt das Programm „International Sustainable Publishing and Industry Resilience“ (InSPIRe) bekannt. Dessen Vision ist es, alle von AutorInnen, BuchhändlerInnen, PädagogInnen und Verlagen bis zu Druckereien, Vertriebsgesellschaften, Technologieunternehmen und Bibliotheken miteinander zu verbinden, um gemeinsam zukunftsgerichtete Lösungen für die Herausforderungen zu erarbeiten, vor denen die Verlagsbranche steht.
„Wir haben ein Programm im Umkreis der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs). Wir haben gehört, dass Verlage Orientierung brauchen, um mit den SDGs klarzukommen. Sie stellen sich die Frage: ‚Was bedeuten diese 17 Ziele für meine Arbeit?‘ Deshalb erarbeiteten die IPA und die Vereinten Nationen im vergangenen Jahr den SDG Publishers Compact, 10 konkrete Maßnahmen, die jeder Verlag heute ergreifen kann. Dieses Jahr legten wir in Frankfurt den Fokus auf die Klimaproblematik, eine der dringlichsten Herausforderungen, vor der die Menschheit heute steht.“
Laut Kolman steht eines fest, wenn es um die Bewältigung des Klimawandels geht: „Wir können diese Probleme nicht im Alleingang lösen. Die gesamte Branche muss gemeinsam vorgehen, damit die notwendige Veränderung herbeigeführt wird.“